11.08.2025
Mitte Juni 2025 wurde das Dach des Freizeithauses zum Klassenzimmer der besonderen Art: Im Rahmen des Jugendsolarprojekts stiegen rund 120 Schülerinnen und Schüler der 6. Primar- und 1. Sekundarstufe unter fachkundiger Anleitung auf das Flachdach des erst kürzlich um- und ausgebauten Freizeithauses am Hegenheimermattweg, um selbst Hand bei der Installation einer Photovoltaikanlage anzulegen.
Neben Schrauben, Kabeln und Solarpanelen stand vor allem eines im Mittelpunkt des Jugendsolarprojekts: Lernen durch Erleben und dabei ein nachhaltiges Zeichen für die Energiewende in Allschwil setzen. Das grosse Flachdach, das den Bestandbau samt dem neuen zweistöckigen Anbau des Freizeithauses überspannt, eignet sich sehr gut als Standort einer PV-Anlage. Mit der Montage von 148 PV-Modulen und einer geplanten Leistung von 59 kWp wird das Gebäude nun auch energetisch zum Vorzeigeobjekt. Die Faustformel dabei lautet: kWp X 1000 = Strommenge in kWh im Jahr.
Jugendliche erfüllen Wunsch des Einwohnerrates
Die Gemeinde setzte im Rahmen des Jugendsolarprojekts ein Postulat des Einwohnerrats um, das bei der Sondervorlage für die PV-Anlage ausdrücklich ein Sensibilisierungsprojekt für Jugendliche forderte. So wurde «Jugend aufs Dach» nun in Zusammenarbeit mit der international tätigen NGO Youth on the Roof und dem Solarinstallateur Planeco GmbH von der Idee zur Realität. Das Büro Rüdisühli Architekten plante die Arbeit, sk-formgebung GmbH verantwortete die Bauleitung, das sichere Gerüst stellte die Lovecchio AG auf, die Elektroarbeiten wurden von swisspro NW AG ausgeführt und Rooftech AG übernahm Drainage, Substrat und Seilsicherung – und nicht zuletzt sorgte das Team des Freizeithaueses als Organisator der Klasseneinsätze für die Bewirtung. Entsprechend gross ist bei allen Beteiligten die Dankbarkeit darüber, dass alles reibungslos und im geplanten Zeitfenster über die Bühne ging.
Workshops auf und unter dem Dach
An drei Tagen erlebten die Jugendlichen in Gruppen einen praxisnahen Zugang zur Solarenergie. Jede Gruppe durfte auf dem gesicherten Flachdach unter Anleitung von Fachkräften Solarpanels montieren und verkabeln. Parallel dazu vertieften die anderen Teilnehmenden ihr Wissen in Workshops rund um Solarenergie, Energieeffizienz, technische Kreativität und die gesellschaftlichen Aspekte der Energiewende. Teamleiter Retze Koen, Gründer von Youth on the Roof, niederländischer Umweltaktivist, früherer Seemann und Kapitän der legendären Greenpeace-Schiffsflotte, freut sich über jeden Einsatz mit seinem ehrenamtlichen Projektteam, denn es geht dabei auch um nichts weniger als Nachwuchsförderung: «Die Jugendlichen sind in einem Alter, in dem es bald um die Berufswahl geht. Das Projekt ist auch eine Möglichkeit, sie für eine Tätigkeit im boomenden Solarsektor zu begeistern. Gerade auch die Mädchen zeigen auf dem Dach, dass sie die Fähigkeiten haben und Interesse entwickeln können. Es herrscht akuter Fachkräftemangel und es ist wichtig, dass wir auch vor diesem Hintergrund aufzeigen, welches Potenzial in den erneuerbaren Energien steckt.»
Überzeugungsarbeit mittels Do-it-yourself
Vânia Stolze Lima-Koen ist die Frau von Retze und ebenfalls im Youth-on-the-Roof-Leitungsteam der Projektwoche aktiv. Mit ihrem technischen Background bringt sie den Kindern und Jugendlichen als Leiterin des Kreativworkshops unter anderem bei, wie sie frei gestaltetes Spielzeug aus Recyclingmaterial mittels Solartechnik emissionslos antreiben können. Die Gruppe setzt dies sogleich in die Praxis um. So erhält jede Schülerin und jeder Schüler auch etwas Greifbares zum Mitnehmen und zum Zeigen zu Hause. Stolze Lima-Koen fasst ihre Arbeit mit der Gruppe so zusammen: «Ich gebe ihnen ein paar Teile eines Solarsystems – einen Motor, einen Propeller und ein kleines Solarpanel – und sie müssen damit ein Gadget bauen. Und wenn sie es dem Sonnenlicht aussetzen, muss dieses Gadget funktionieren. Wenn sie das dann sehen, den Stromfluss, wie das Licht elektrischen Strom erzeugt, verstehen sie: Es funktioniert, es ist echt! Deshalb denke ich, dass es sehr wichtig ist, dass sie etwas mit eigenen Händen aufbauen – dadurch sind sie eher überzeugt, dass Solarenergie wirklich funktioniert. Dabei lernen sie auch, Probleme zu lösen, denn wenn sie etwas zusammenbauen und es nicht funktioniert, müssen sie es wieder auseinanderbauen und anpassen. Es sind also viele verschiedene Fähigkeiten gefragt. Sie lernen, Lösungen zu finden.»
Nachhilfestunden im Fach «Klimawandel» und fingierte Arena-Diskussionen
Amadeus Thiemann hilft den Schülerinnen und Schülern in der Solarwoche als Workshopleiter «Energie», einen realitätsnahen Zugang zum Projektwochenschwerpunkt Solarenergie zu vermitteln. Dabei thematisiert er in kompakten eineinhalb Stunden Treibhauseffekt, Klimawandel und die Energiewende. Was ihn dabei antreibt: «Ich stelle fest, dass das Bewusstsein für die Klimakatastrophe bei den Schülerinnen und Schülern fast nicht da ist. Deshalb ist eines meiner Hauptziele, da eine gewisse Ordnung, eine Erdung, Wahrheit und physikalische Nähe zur Wissenschaft reinzubringen. Wenn man nicht weiss, was das Problem ist – warum sollte man sich für Lösungen interessieren?», erklärt Thiemann.
Dass die Lösung nicht nur aus Solarpanelen besteht und dass es in der ganzen Energie- und Nachhaltigkeitsdiskussion zig Meinungsbilder gibt, lernen die Jugendlichen auf spielerische Weise bei Martin Wanner und seinem Arena-Workshop. Dort wird im Stile der SRF-Politsendung Arena leidenschaftlich gestritten und mit Pro- und Kontra-Wortmeldungen zum Thema Klimawandel und Energiewende argumentiert. Youth on the Roof macht also nicht einfach Werbung für eine nichtfossile Energiegewinnung mit erneuerbaren Energien. Vielmehr sollen sich die Jugendlichen kritisch mit den diversen Möglichkeiten der Energiegewinnung und -nutzung auseinandersetzen und so eine differenzierte Rundumsicht mit allen Vor- und Nachteilen erhalten.
Vom einstigen Flüchtling zum Montageleiter und Qualitätssicherer
Mohammed Süleyman von der Firma Planeco GmbH ist Montageleiter und verantwortlich für die Qualitätssicherung. Er betreut die Jugendlichen auf dem Dach und leitet sie an. Beeindruckt hat ihn die sichtliche Transformation der ihm anvertrauten Schülergruppen zwischen «vorher» und «nachher». So habe man bei den Jugendlichen am Anfang den Respekt vor dem Dach und der Technik gespürt. Dieser sei aber rasch verflogen und es wurde bald sichtbar, wer Spass am Montieren und Talent für technische Zusammenhänge und die nötige Fingerfertigkeit habe. Süleyman selbst ist das beste Beispiel, wie man im Solarbusiness Karriere machen kann: Der einstige syrische Flüchtling lernte binnen weniger Jahre Sprache und Handwerk, sodass er die Freude an der Sonnenenergie heute im Rahmen der Jugendsolarprojekte authentisch rüberbringt und dabei ein Auge für Talente beweist.
Energiekonzept der Gemeinde: mehr als Symbolik
Die Jugend-aufs-Dach-Aktion ist Teil eines grösseren Ganzen: Allschwil hat sich im Rahmen seines kommunalen Energieplans ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2035 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Wärmebedarf auf 50 Prozent steigen, gleichzeitig der Verbrauch fossiler Brennstoffe massiv sinken. Neben dem neuen Fernwärmenetz mit der Holzheizzentrale beim Hallenbad und der Musikschule – ein weiteres Leuchtturmprojekt der Allschwiler Energiewende – ist die Photovoltaikanlage auf dem Freizeithaus ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu mehr Klimaschutz. Die Stromproduktion der neuen PV-Anlage wird grösser als der Eigenbedarf des Freizeithauses. Überschüssige Energie kann ins Netz eingespeist oder im Rahmen eines Zusammenschlusses zum Eigenverbrauch (ZEV) mit anderen Nutzern geteilt werden. So ist das Freizeithaus nicht nur ein Erlebnisort, sondern wird auch zum aktiven Teil der lokalen Energiewende.
Lernen mit Kopf, Herz und Hand – das nehmen die Jugendlichen mit
Die Jugendlichen zeigten sich beeindruckt von der Erfahrung, auf dem Dach selbst Verantwortung zu übernehmen und die Technik hautnah zu erleben. Für viele war es das erste Mal, dass sie mit erneuerbaren Energien praktisch in Berührung kamen. Die Workshops boten Raum für Fragen, Diskussionen und kreative Ideen – von der Funktionsweise eines Solarpanels bis hin zu gesellschaftlichen Herausforderungen der Energiewende: «Jetzt habe ich eine genauere Vorstellung davon, was alles zum Klimawandel führen kann», sagt der 13-jährige Sek-Schüler Gwydion Kuzic nach dem Besuch des Workshops, noch bevor er das Dach erklimmt, um bei der Montage der Solarpanels zu helfen. So würde er sich nun auch genauer überlegen, wie er gegebenenfalls sein Verhalten im Alltag anpassen könnte, um sparsamer mit den Ressourcen umzugehen – zum Beispiel durch Wassersparen. Die ebenfalls 13-jährige Sek-Schülerin Emilie Ricken resümiert: «Es hat Spass gemacht und ich bin auch ein bisschen stolz, dass ich bei diesem Projekt mitmachen durfte.» Ihre Klassenkameradin Aditri Rajesh sieht es ähnlich: «Es ist ein tolles Gefühl. Jedes Mal, wenn ich jetzt beim Freizeithaus vorbeifahre, kann ich sagen: Da habe ich mitgeholfen, den sauberen Strom zu machen.» Dennoch sehen sich die beiden jungen Frauen künftig nicht unbedingt auf einem Dach bei der Montage von Solarpanelen, denn es war bereits Mitte Juni brennend so heiss und schweisstreibend, dass sie froh waren, wieder herabzusteigen. Mehr Freude hatten sie am Zusammenbauen der Solarfahrzeuge, wobei sie einiges über die Antriebstechnik mit Strom und Sonnenenergie lernen konnten.
Ein Projekt der nachhaltigen Eindrücke
Youth on the Roof zeigt, wie Bildung, Klimaschutz und Gemeindepolitik Hand in Hand gehen können. Es macht sichtbar, wie politische Impulse – in diesem Fall das Postulat des Einwohnerrates – in konkrete, erlebbare Projekte münden. Und es setzt ein Zeichen dafür, dass die Energiewende in Allschwil nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf den Dächern und in den Köpfen der nächsten Generation stattfindet.
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