Gemeinde Allschwil

Noch mehr Benzidin im Roemislochbach nachgewiesen

06.07.2022

Die Gemeinde Allschwil hat unterhalb der Chemiemülldeponie Roemisloch in Neuwiller (F) mit 119 Nanogramm pro Liter noch mehr Benzidin nachgewiesen als bisher. Diese Substanz verursacht Blasenkrebs. Die französischen Limiten und der Schweizer Grenzwert sind teils massiv überschritten. Zudem zeigt die Gemeinde Allschwil: BASF, Novartis und Syngenta hätten schön lange vom gefährlichen Benzidin wissen können, haben entsprechende Hinweise aber offensichtlich ignoriert. Allschwil verlangt insbesondere vom Pharmakonzern
Novartis, endlich zu handeln.


Im März 2021 waren es in der Probestelle Tümpel 58 Nanogramm Benzidin pro Liter (ng/l) Wasser, im April 74 ng/l. 2022 waren es im Januar dann 98 ng/l und am 18. Mai hat die Gemeinde Allschwil gar eine noch höhere Konzentration des hochgradig krebserregenden Benzidins nachgewiesen: 119 Nanogramm pro Liter Wasser kamen im Roemislochbach unterhalb der angeblich 2011 von BASF, Novartis und Syngenta (ChemChina) sanierten Chemiemülldeponie Roemisloch zum Vorschein.

Auch Vergleichswert der Industrie überschritten
In Frankreich gibt es keinen Grenzwert für Benzidin, aber Orientierungswerte des staatlichen Umweltinstituts INERIS. Das Limit von INERIS für befischte Gewässer ist 290'244 Mal und das für Trinkwasser um 3'967 Mal überschritten. Selbst den Vergleichswert von 100 ng/l Benzidin, den BASF, Novartis und Syngenta an ihrer Medienkonferenz vom 1. Februar 2002 als den Richtigen erachteten, ist um das 1.2-Fache überschritten. Zum Vergleich: Der Schweizer Grenzwert von 1.5 ng/l Benzidin ist 79 Mal übertroffen. Dies zeigt: Das Roemisloch ist ein Sanierungsfall!

Tetrachlorbenzidin schon 2006 nachgewiesen
Die drei Konzerne hätten vom Benzidin-Risiko wissen können: Im April 2006 wiesen BASF, Novartis und Syngenta in der Grundwassermessstelle Proe7 Tetrachlorbenzidin in einem Konzentrationsbereich von 2000-8000 ng/l mit einer Übersichtsanalyse (GC/MS-Screening) nach. Sie gingen dem Fund aber nicht vertieft nach. Sie schreiben dazu nur: Tetrachlorbenzidin habe mittels „einer Einzelstoffanalyse“ nicht bestätigt werden können. Damit war für BASF, Novartis und Syngenta das Thema Benzidin offensichtlich erledigt. Sie haben danach weder Tetrachlorbenzidin noch Benzidin oder andere Benzidin-Verbindungen in ihr Analyseprogramm aufgenommen, das sie damals regelmässig durchgeführt haben. Auch in der Risikoanalyse von Mai 2008 sucht man den Namen Benzidin oder Tetrachlorbenzidin vergebens.

Weitere Hinweise auf Benzidin ignoriert
Dabei gab es noch weitere Hinweise auf das gefährliche Benzidin, wie ein Blick in die ‹Stoffliste Roemisloch› zeigt. Die J. R. Geigy AG liess diese Liste des angelieferten Chemieabfalls 1960 erstellen. Gemäss dieser Liste kippte die Basler Chemiefirma von 1957 bis 1960 mindestens 4'800 Kilogramm Abfall aus der Hydrazobenzol-Produktion ins Roemisloch. Dieser Chemiemüll enthielt mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit auch Hydrazobenzol. Diese Substanz kann mit dem gefährlichen Benzidin verunreinigt sein. Hydrazobenzol zerfällt zudem u. a. zu Benzidin, wenn es
mit Wasser in Kontakt kommt – wie z. B. noch heute in der vor zwölf Jahren angeblich totalsanierten Deponie Roemisloch. Auch diesen Hinweis auf Benzidin scheinen BASF, Novartis und Syngenta nicht ernst genommen zu haben: Diese gefährliche Substanz wurde erst zum Thema, nachdem die Gemeinde Allschwil 2021 Benzidin im Roemislochbach erstmals gesucht und sogleich weit über den Limiten und Grenzwerten nachgewiesen hat.

Falsche Behauptungen von Novartis & Co.
BASF, Novartis und Syngenta behaupteten in ihrer Medienmitteilung vom 3. Februar 2022 zudem, dass «die vorhandenen Konzentrationen kleiner werden und keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Zusätzliche Massnahmen, wie sie die Gemeinde Allschwil für die ehemalige Deponie fordert, seien «deshalb nicht angezeigt». Diese Aussage trifft nicht zu: Die gemessenen Konzentrationen nehmen teils zu, wie die Benzidin-Analyseergebnisse der Gemeinde Allschwil seit März 2021 zeigen. Auch die Darstellung der Industrie, es bestehe keine Gefahr für Mensch und Umwelt, lässt sich bei einer 79-fachen Überschreitung des Schweizer Grenzwerts für Benzidin nicht mehr aufrechterhalten; selbst, wenn das Benzidin im Mülibach bisher nicht nachgewiesen wurde und der Schweizer Grenzwert in Frankreich nur als Orientierungshilfe dienen kann.

Endlich wie versprochen sauber aufräumen
Die Gemeinde Allschwil hat das Amt für Umweltschutz und Energie AUE BL über den neuerlichen Benzidinfund informiert. Es wurde vereinbart, dass sich das AUE und die Gemeinde nach den Sommerferien treffen, um die Analyse- und Rechercheergebnisse im Detail zu besprechen. Die Gemeinde Allschwil fordert insbesondere vom Pharmakonzern Novartis nun als ersten Schritt, das stark kontaminierte Wasser unterhalb der Deponie Roemisloch aufzufangen und zu reinigen. Danach muss die Schadstoffquelle eruiert und anschliessend vollständig dekontaminiert werden. Die Gemeinde erwartet, dass die drei Firmen das vor zwölf Jahren beim Roemisloch gemachte Versprechen einhalten und nun endlich allen Chemiemüll inklusive des kontaminierten Erdreichs vollständig beseitigen.

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